Heinz Pelz

Zufall und Kalkül


Franz Littmann



  unabsichtlich


Ich bin zuhause in einem schwindelerregenden Land, in dem die Lotterie

Hauptbestandteil der Wirklichkeit ist.

Jorge Louis Borges (1)


Ebenso wie der Mensch poetische Stimmungen empfangen kann, nämlich zufällig, kann er sie auch produzieren. Aus diesem Grund will Heinz Pelz mit dem Kopf nicht wissen, was die Hand zeichnet. Bewusst lässt er sich beim allmählichen Verfertigen von Überraschungen nicht von Plänen oder Ideen leiten. Ein vorher entworfenes Konzept existiert nicht. Deshalb gibt es in der unbekannten Wirklichkeit, die er sucht, nur grobe Richtlinien.


Das Eigentümliche, das stetig weiterentwickelt wird, orientiert sich lediglich an einigen Spielregeln. Tatsächlich steht im Zentrum seiner Wiederverzauberung, die sowohl als Einzelarbeit als auch als aufeinander abgestimmtes Ensemble funktioniert, das schnelle Reagieren auf Nichtvorhersehbares. Wie schon Max Ernst im Anschluss an den Dadaismus will Heinz Pelz absichtlich das Unabsichtliche. Deshalb ist bei ihm der Zufall von großer Wichtigkeit. Er benutzt ihn, um systematisch Routinen zu durchbrechen.


Anknüpfend an die Transformationsbewegung der Kunst vom Werkhaften zum Performativen in den letzten zwanzig Jahren stützt er sich programmatisch weniger auf die Prinzipien der „Form“, der „Originalität“, der „Subjektivität“, als vielmehr auf „Ereignis“, „Spiel“ und „Zufall“. Wenn Heinz Pelz, um das Ergebnis nicht von vornherein festzulegen, in der Hauptsache probiert, forscht, prüft, revidiert, korrigiert und vor allem wartet, schafft er Bedingungen, die den Zufall und die Eigengesetzlichkeit der Materie provozieren.


Aber nicht alles wird bei dieser Herangehensweise dem Zufall überlassen. Während Heinz Pelz Prozesse in Gang setzt, deren Ende nicht absehbar sind, beobachtet er sehr genau die Zusammenhänge, Verkettungen und Über-kreuzungen, die dabei entstehen. Balancierend zwischen Kontrolle und Kontrollverlust wartet er unvoreingenommen auf solche Bilder, die er selbst nicht versteht. Auf das Unbekannte kommt es dabei an, auf Bilder, die er sich so ursprünglich nicht vorgestellt hatte.


(1) Borges, Jorge Louis: Erzählungen 1935 bis 1944, Carl Hanser Verlag München / Wien 1981





   experimentell



Da die Spuren der Anstrengung, die wiederholten Bearbeitungen, die quälenden Zweifel, die viele aufgewendete Zeit, die schlechten Tage und die Stunden des Überdrusses verschwunden sind, werden manche, die nur die Vollkommenheit des Ergebnisses betrachten, es so ansehen, als wäre es einer Art Wunder zu verdanken, das sie Inspiration nennen.

Paul Valery (2)



Für das Gleichgewicht von Spontaneität (eine Art Basteln auf hohem Niveau) und Kalkül (eine Art Einhaltung von willkürlichen und selbsterfundenen Spielregeln) benutzt Heinz Pelz Mittel und Methoden, die ihre Ziele in sich selbst haben. Um die Effekte zu erzielen, die er sich vorstellt, arbeitet er beispielsweise mit Matrizen, die man vor noch nicht allzu langer Zeit für das Vervielfältigen von Texten mit Hilfe eines Hektographierapparates verwendete. Diese Matrizen legt er auf Büttenpapier (600 Gramm pro Quadratmeter), darauf eine Schutzfolie. Ohne zu sehen, was darunter passiert, wird eine Zeichnung durchgepaust. Entweder mit einem Rädchen, das man für das Durchpausen von Schnittmusterbögen auf Stoffen braucht, um später mit Kreide den Zuschnitt zu skizzieren, oder mit einem Metallstift, manchmal sogar mit Metallkugeln, die auf die Schutzfolie geworfen werden. Hat man es mit den Spuren eines Blei- oder Kohlestifts zu tun? Oder mit Druckgraphik? Das ist schwer zu entscheiden. Und genau wegen dieser Unentscheidbarkeit entspricht die künstlerische Tätigkeit von Heinz Pelz dem Paradigma einer „Ästhetik des Performativen“ (Dieter Mersch) (3), die nicht Erkenntnis, sondern ein Augenöffnen will. Deren Ziel eine Sensibilität für das Materielle ist.


Worauf es hinausläuft bei Heinz Pelz, ist eine nicht voraussehbare Eigendynamik. Die dafür notwendigen Gestaltungsprinzipien heißen Improvisation und Kombination. Verlangt werden somit schnelle Handlungsvollzüge, was wiederum ein geschultes Beurteilungsvermögen und viel Erfahrung erfordert. Wenn Heinz in seinem Atelier mit viel Gespür für den voraussichtlichen Verlauf der inszenierten Prozesse experimentiert, handelt es sich um ein Eindringen in unbekannte Bildlandschaften – abseits von traditionellen oder modischen oder routinierten oder eingefahrenen Bildfindungsstrategien. Wie man sich dieses Bilderfinden vorstellen muss, hat Wolf Pehlke beschrieben: „Das Atelier ist ein unbedeutender Arbeitsplatz von schlichter, geordneter Strenge … Entlang einer 12 Meter langen, weißen Wand werden Bildzusammenstellungen, Bildkombinationen und Hängeanordnungen entwickelt und durchdacht … Die gegenseitige Beeinflussung der Bilder und ihre jeweilige Eigenständigkeit sind Teil des Entwicklungsprozesses beim Malen. Beides unterliegt einem wechselnden, bewussten Austausch und nachdenklicher Überprüfung“.


(2) Valery, Paul: Zur Theorie der Dichtkunst, Insel Verlag Frankfurt am Main 1962

(3) Mersch, Dieter: Ereignis und Aura, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2002






   organisch



Gitter, Netze, Schleifen, Ströme, Wege, Vierecke, Kreise, Wirbel, Spiralen, Kreuze; Unbestimmtes und Verschwimmendes, protoschrifthafte, rhythmische Kritzeleien, wie man sie von den Löschblättern der Schulhefte kennt: In erster Linie geht es um die Verweigerung von Eindeutigkeit, also um eine „Entwaffnung des Geistes“

Jean-Francois Lyotard (4)



Was sich zeigt, sind die Spuren der Eingriffe des Künstlers. Das dem Material Eingezeichnete. Überraschungen und Verunglücktes behandelt Heinz Pelz nicht als Störung – im Gegenteil. Er will ja bewusst die Aufmerksamkeit des Betrachters verlagern – auf die Materialität, auf das Gleichgewicht der Farben und Formen, auf Nuancen, auf Rhythmus, auf Härte, auf Dichte. Ganz konkret auf die Resultate, die er mit der Bohrmaschine zum Beispiel erzielt, mit dem Bürstenschleifaufsatz, dem groben Schleifpapier oder dem rotierenden Schleifkopf.


Heinz Pelz wendet sich mit seinen Bildern nicht an das Bewusstsein, an den Verstand des Betrachters. Sondern an dessen Spürsinn. An seine Fähigkeit, instinktiv Augen-Blicke flüchtiger Schönheit zu dechiffrieren. Angesprochen wird das Gespür für Sinnliches und Natürliches. Wie beispielsweise für Spuren, die Wellen am Meeresstrand hinterlassen. Das Ziel dieser Kunst ist keine vordergründige Virtuosität, vielmehr geht es darum, die Wahrnehmungsleistung des Betrachters anzuregen, damit die in den Bildern wirksamen Kräfte etwas zum Schwingen bringen.


(4) Lyotard, Jean-Francois: Das postmoderne Wissen, Edition Passagen Graz/Wien 1986






   ungezwungen



Je mehr Zufall, desto mehr Spiel, desto mehr Spielräume für Körper auf Zeit.

Am Kontingenten scheitert die binäre Codierung der Welt.

Der Zufall ist der wahre Feind des toten Geistes.

Dietmar Kamper (5)


Was im Zeitalter der „binären Codierung“, also im Internetzeitalter, verloren zu gehen scheint, sind unverfügbare Ereignisse. Das Projekt der Moderne läuft immer mehr darauf hinaus, tendenziell alles zu instrumentalisieren. Wird jedoch absolut alles kontrolliert, sind Zufall und Kontrollverlust eine Unterbrechung der „normalen“ Seherfahrung des Betrachters. Diese „Störung“ bedeutet, dass er sich umstellen muss. Vorrang haben jetzt Empfänglichkeit und passive Wahrnehmung. Der Betrachter wird zum Reagieren gezwungen. Das setzt Aufmerksamkeit und Achtung voraus.


Intentionalität, Wissen und Reflexion sind jetzt weniger gefragt. Mit Wille und Bewusstsein kommt der Betrachter sicherlich nicht weiter. Die Logik der Bemächtigung ist obsolet, weil die Bilder von Heinz Pelz nicht „sprechen“. Sie bleiben im Unsagbaren und zielen auf die Fähigkeit, „passiv zu schauen“ (Jackson Pollock): „Auf-sich-wirken-lassen“, was die Bilder zu bieten haben.


Peter Weibel bezeichnete diesen Kontrollverlust als Befreiung vom Kontrollzwang. Vom Zwang zur Festlegung und Feststellung, der in der Spätmoderne mehr und mehr zum Problem wird.


Ganz auf der Höhe der Zeit ist dagegen Heinz Pelz, wenn er mit spielerischer Nichtintentionalität eine den Anforderungen der heutigen Gesellschaft entsprechende Wandlungsfähigkeit „vor-ahmt“. Dementsprechend stoßen in seiner Bilderwelt Kontraste aufeinander. Genauigkeit geht einher mit Überschwang, Askese mit Verspieltheit, Präzision mit Nachlässigkeit. Es sind Formfindungen, denen man anmerkt, dass der Künstler ein hohes Maß an Bereitschaft zum Aushalten von Spannungen und Ambivalenzen offensiv herausfordert.


Es gibt in den Bildern von Heinz Pelz wiederkehrende Elemente: Flecken und Kratzer stieben auseinander, dann verdichten sie sich wieder. Sie zerfließen zu engen Gängen, dann werden die Pfade und Zickzackwege wieder weiter: Streifen, Wellen und Girlanden überlagern sich, dann wieder sind es einzelne Linien, Rinnsale, Striche... Man kann die Erfahrung der Enge machen, aber auch die der Weite. Auf den Bildern von Heinz Pelz stellen das Vermischen, die Konfusion, das Chaos, das Hin- und Herströmen eine vorantreibende Dynamik dar. Gegen das Formatieren und Informieren lassen im Dschungel der globalen Kommunikation erfährt der Betrachter, dass es noch Möglichkeiten zum Selberdenken gibt.


(5) Kamper, Dietmar: Bildstörungen – Im Orbit des Imaginären, Cantz Verlag Stuttgart 1994






   außergewöhnlich



Heinz Pelz ist ein Mann, der das Höhlentauchen liebt. … Er hat Dinge gesehen,

die niemals das Licht der Welt erblicken werden. Im Schein seiner Taucherlampe

schillert ein versunkenes Universum, das zum allerersten Mal von einem menschlichen Auge betrachtet wird.

Wolf Pehlke (6)


Wer die Bilder von Heinz Pelz betrachtet, muss sich auf eine andere Welt ein-lassen. Nichts für das gewöhnliche Denken und Wahrnehmen.


Konfrontiert mit dieser einkalkulierten Fremdheit, die es so im „normalen“ Alltag nicht gibt, muss sich der Betrachter regelrecht „umstimmen“. Keine leichte Aufgabe im Zeitalter der Maximierung und Selbstoptimierung. Es geht um einen Abbruch der Beschleunigungseinstellung und des Anpassungszwangs.


Es geht um ein vorübergehendes Eintauchen in eine auf den ersten Blick verwirrende, vielfältige und abenteuerliche ästhetische Atmosphäre. Das Gemeinsame der Bilder sind Leere, Schweigen, Zwecklosigkeit. Was im Alltag völlig uninteressant und nutzlos erscheint, steht plötzlich im Mittelpunkt.


Lässt sich der Betrachter von dieser Fremdheit herausfordern, kann eine positive Energie entstehen. Verursacht wird diese vom Wechsel der Einstellung des Betrachters: vom „homo faber“ zum „homo ludens“. Der Mensch, heißt es im 15. Brief Schillers „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“, ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.


(6) Pehlke, Wolf: Bild tot, Fluid Edition Karlsruhe 2009





   unberechenbar


Der >Zufall< in der Kunst unserer Zeit ist nichts Zufälliges, sondern ein Geschenk der Musen. Nur den Träumenden fällt dieses geistige Geschenk zu. Die Musen sind besonders gegen Rechnungen und Berechnungen.

Jean Arp (7)


Der von Heinz Pelz bewusst eingesetzte Kontrollverlust ist der gesamten philosophischen Tradition des Abendlandes entgegengesetzt. In deren Programm, das auf Beherrschbarkeit und Machbarkeit hinausläuft, hat der Mensch als „Resultat seiner Absichten“ (Odo Marquard) (8) absolute Priorität. Das Ergebnis, etwas verkürzt ausgedrückt: „Man hat Wirklichkeit gewonnen und Traum verloren“ (Robert Musil) (9).


Gewissermaßen kompensatorisch stellt sich Heinz Pelz die Aufgabe, beim Betrachter seiner Bilder einen Zustand zu bewirken, der ihm ein weniger kontrolliertes „In-Der-Welt-Sein“ erlaubt. Das Recht auf Zufall und Unvoll-kommenheit wird eingeräumt.


Eine Auffassung, die bis zu den Anfängen der Avantgardekunst zurückreicht. Beim Dadaismus, zum Beispiel, spielten Material und Zufall eine herausragende Rolle. „Der neue Künstler protestiert“, konstatierte bereits im Jahr 1918 Tristan Tzara, „er malt nicht mehr symbolische und illusionistische Reproduktionen, sondern schafft unmittelbar in Stein, Holz, Eisen, Zinn Blöcke in Lokomotivorganismen, die durch den klaren Wind des Augenblicks nach allen Seiten gedreht werden können“. Aus demselben Grund arbeitete auch Max Ernst mit dem Prinzip der Frottage. Es waren Abzeichnungen unwillkürlicher Spuren und Linien. Indem er den Künstler als Subjekt des Willens (der Beherrschbarkeit, der Machbarkeit) verabschiedete, konnte er mit Zufälligkeiten unerwartete Stimmungen suggerieren.


Ebenfalls mit Zufallsprinzipien operierte Marcel Duchamp mit seinen „Trois stoppages étalon“. Drei jeweils einen Meter lange, aus einer Höhe von einem Meter herabgefallene und sich kräuselnde Bindfäden, festgehalten auf einer blauen Leinwand hinter Glas, stellten so etwas wie eine Parodie des Pariser Urmeters und damit der Rationalität der Moderne dar.


Dementsprechend subversiv ist auch die Einbindung des Unverfügbaren, des Zufalls und des Irrtums bei Heinz Pelz. Ins Spiel gebracht wird sozusagen, was in der spätmodernen Lebenswirklichkeit immer weniger zu werden scheint: Leben zu können mit offenen Aporien, mit Mehrdeutigkeit, mit einer provisorischen Lebensorientierung.


(7) Arp, Jean: >ich bin in einer Wolke geboren< / >je suis né dans un nuage<,

 Literarische Gesellschaft Karlsruhe 2018

(8) Marquard, Odo: Apologie des Zufälligen, Reclam Verlag Stuttgart 1986

(9) Musil, Robert: Gesammelte Werke, Band 1, Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg 1978






   disponibel



Weniger, immer weniger ist zu tun, bis man beim Nicht-Tun ankommt,

ist man beim Nicht-Tun angekommen,

bleibt nichts ungetan.

LaoTse (10)


In erster Linie zielen die künstlerischen Ambitionen von Heinz Pelz auf eine Unabhängigkeit von inneren und äußeren Zwängen. Voraussetzung für das Abschalten von Kontrolle und Reflexion ist eine vorurteilslose und gelassene Haltung. Genau deshalb sorgt Heinz Pelz für ein „laisser les choses se passer“ (Michel de Montaigne) (11).


Um sich beim Fertigstellen der Bilder vom üblichen Übermaß an Aktivismus zu befreien, setzt er die Strategie des „Nicht-Bestimmen-Wollens“ ein.


Er schaufelt den Weg frei für eine „künstliche Natürlichkeit“. Für einen Spielraum, in dem eine Alternative zum Projekt der Moderne offengehalten wird. Ganz im Gegensatz zur Idee, dass der Mensch ausschließlich ein handelndes, absichtsvolles Wesen ist, also ganz und gar nur seine Wahl, wie Sartre meinte, verteidigt Heinz Pelz mit seinen Bildern das Zufällige, das Ungeplante, das Nichtintentionale.


Seine Bilder sind ein Plädoyer für Muße, für unproduktives Tun, für Zeitverschwendung

und Gehirnleerlauf.


Für eine Art der Lebensbewältigung, die anerkennt, dass nämlich Menschen mehr als durch Wahl durch Zufälle durchs Leben kommen. Erweckt wird die Erwartung, dass es immer noch eine Lebensklugheit gibt, in der das Offenhalten, die Disponibilität, und somit der Möglichkeitssinn einen hohen Stellenwert haben. Kunst, wie schon gesagt, als eine Art Vor-Ahmung, die einen Zugang zum Loslassen, zur Ruhe und zur Gelassenheit eröffnet.


(10) Lao-Tse: Too-Te-King, Übersetzt von Günther Debon, Reclam Verlag Stuttgart 1978

(11) Montaigne, Michel: Essais, Übersetzt von Hans Stilett,

 Eichborn Verlag Frankfurt am Main 1998






   unbeschwert




Jeder Sportsmann weiß, dass man schon einige Tage vor dem Wettkampf das Training einstellen muss, und das geschieht aus keinem anderen Grund, als damit Muskeln und Nerven untereinander die letzte Verabredung treffen können, ohne dass Wille, Absicht und Bewusstsein dabei sein oder gar dreinreden können.

Die Muskeln und Nerven springen und fechten mit dem Ich, diese ganze zivilrechtlich gegen die Umwelt abgegrenzte Haupt- und Gesamtperson wird von ihnen nur so obenauf mitgenommen, wie Europa, die auf dem Stier sitzt.

Robert Musil (12)


Konfrontiert mit den Papierarbeiten von Heinz Pelz hat man den Eindruck, man begegne einem Fremden, der plötzlich in unserem Alltag erscheint und für angenehme, aber auch beunruhigende Gefühle sorgt. Kein Zweifel: dem Verstehen der unerklärlichen Schönheit dieser Bilder sind, Grenzen gesetzt.


Um so wichtiger ist die Empfangshaltung beim Betrachten der Bilder. Die Art und Weise der Annäherung. Dominiert die Verstandestätigkeit? Oder wird sie, wie Europa, die auf dem Stier sitzt, einfach nur „mitgenommen“? Wird das Codieren, Analysieren und Informationsverarbeiten, d.h. das Prinzip der schnellen Wiedererkennbarkeit, außer Kraft gesetzt?


Beansprucht jedoch der Betrachter den Spielraum für seine Freiheit und Individualität, kann es gelingen, dem Geheimnis dieser Zeichnungen, also ihrem in sich abgeschlossenen Sinnzusammenhang, auf die Spur zu kommen. Falls der Betrachter „mitspielt“, sind die Bilder von Heinz Pelz so aktuell wie ein Sonnenuntergang, der nicht zweckhaft und auf etwas anderes bezogen ist. „Wie die Natur uns mit Füßen zum Gehen versehen hat, so auch mit Weisheit zu unserer Lebensführung – mit einer Weisheit, die zwar nicht derart ausgeklügelt, selbstherrlich und auf Schau bedacht ist wie jene der Philosophen, dafür aber gelöster, ruhiger und gedeihlicher, und was die andere nur im Mund führt, verrichtet diese handgreiflich bei jedem, dem das Glück beschieden ist, sich unbefangen und in wohlgeordneten Bahnen mit sich selbst befassen zu können – eben ganz und gar der Natur gemäß. Je kindlicher wir uns ihr anvertrauen, desto weiser handeln wir“. (Michel de Montaigne) (13)


Wie beim Sonnenuntergang erfährt man das „Sich-der-Natur-anvertrauen“ da am besten, wo die Bewegung am geringsten ist. Auch vor den Papierarbeiten von Heinz Pelz kann sich das Gefühl einstellen, dass sich auf dieser Probebühne der Kunst etwas überträgt: der Takt, die Harmonie, der subtile Optimismus dieser Bilder. Sie erwecken die Erwartung, dass es gelingen kann, das Leben als ein eigenes zu gestalten.


(12) Musil, Robert: Gesammelte Werke, Band 1, Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg 1978

(13) Montaigne, Michel: Essais, Übersetzt von Hans Stilett,

 Eichborn Verlag Frankfurt am Main 1998



© 2018 Dr. Franz Littmann








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