Heinz Pelz

Gott hat Humor


Wolf Pehlke




Gott hat Humor.

Aber er kann keine Katzen malen.

Trotzdem hat Gott Humor.

Zum Beispiel hat Gott die Stinkmorchel erfunden und den Marienkäfer.

Der Marienkäfer sieht ein bisschen aus wie eine umgekippte rote Suppenschüssel, 

auf die dann ein weniger begabter Kunststudent wahllos schwarze Punkte verteilt hat.

Übrigens soll der Marienkäfer uns Glück bringen, aber was will Gott uns eigentlich 

mit der Stinkmorchel sagen?

Ganz offensichtlich ist die Schöpfungsgeschichte ein völlig abstraktes Kunstwerk.

Oder haben sie schon einmal einen Marienkäfer gesehen, auf dem anstelle von schwarzen Punkten flauschige, dicke Hauskatzen aufgemalt sind?


Am Anfang war das Wort.

Und die Punkte. Und die Streifen. Und die getupften Flecken. Und die wolligen Flächen. 

Und die abstrakten Formen und Muster. Und die ungeraden, zittrigen Linien.


Denken Sie an ein Zebra.

Jeder Streifen auf einem Zebra ist einzigartig. So einzigartig wie die geschwungenen 

Linien in dem Fingerabdruck eines Menschen.

So einzigartig, wie das Lächeln der Mona Lisa.


Denken sie an das Rad von einem Pfau.

Das Rad von einem Pfau könnte anstatt von Gott eben so gut auch von Chagall gemalt sein. 

Nur eben ohne den ganzen Quatsch mit in der Luft tanzenden Bauern 

und mit diesen pummeligen Häusern.


Und die Bilder eines Jean Fautrier weisen die gleiche Meisterschaft der Natur auf, 

wie der Hals einer Kröte oder wie die Oberschenkel von einem Rhinozeros.

Ein solcher Reichtum der Gestaltung in der Kunst, ganz ohne Kröte, - ohne jede Kreatur.


Denken Sie nun an einen Apfelschimmel oder denken Sie an eine gescheckte Katze.

Eine gescheckte Katze sieht ein bisschen aus, als hätte sie sich gerade in den frischen Ölfarben auf einem impressionistischen Bild von William Turner herum gewälzt.

Und selbst wenn Sie Katzen ganz arg süß finden, vielleicht gefallen Ihnen diese fantasievollen Farben mit denen Gott unsere Schöpfungsgeschichte ausgestattet hat, auch einfach so wie sie sind.

Jede Menge impressionistische Farben – ganz ohne eine Katze.

Warum eigentlich nicht?


Weder Gott, noch die Natur selbst machen in ihrem Werk nämlich einen Unterschied zwischen dem farbenfrohen Rad von einem Pfau und dem schrundigen Hals von einer Kröte. Das machen nur wir. Wir, das Publikum der Bilder und wir, das Publikum der Schöpfungsgeschichte. Aus Gründen, die wir dann bei Bedarf unseren persönlichen Geschmack oder unsere persönliche Neigung nennen.


Am Anfang war das Wort. Und einfach nur – die Farben. Die Linien, die Streifen. Die Rauten. Die Muster im Fell. Die Formen.

Ein roter Tupfer und überall darauf verteilt wahllos schwarze Punkte.

Wie übermütige Spritzer aus einem Farbkübel.

So einzigartig, wie eine schlafende Venus von Meister Tizian oder von seinem Schüler Giorgione.


Denken Sie nun auch einmal an den Rest der Schöpfung.

Die schroffen Gebirge. 

Wie ineinander vermischte Ölfarben auf einer eingetrockneten Palette.

Wiesen und Felder. Wie eine Bettdecke aus verschiedenen Topflappen über unseren 

Planeten gespachtelt.

Meere und Ozeane. Wie mit dem Pinsel herum gewirbelte Pfützen auf einem Aquarellpapier. 

An den Rändern eingetrocknet.

Und die Wolken am Himmel. Wie endlose Landschaften auf einer Filmspule. 

Einen Moment lang plötzlich in schrillem Technicolor und dann wieder unergründlich in 

zartesten Tönen, ausgebleicht und matt.


Natur in all ihrer Gestaltung.

Ein abstraktes Kunstwerk, das sich selbst behauptet.

Nämlich ohne die Neigungen oder den persönlichen Geschmack eines Homo sapiens, 

der ja bekanntermaßen erst sehr viel später und als Klugscheißer die Bühne der Schöpfung betritt.


Ich weiß nicht ob Heinz Pelz die Malerei erfunden hat.

Warum eigentlich nicht. Auch Heinz Pelz hat ja Humor.

Aber vermutlich hat Gott Heinz Pelz erfunden.

Gott hätte im 19ten Jahrhundert sogar Cezanne und die Moderne auch einfach 

unterschlagen können.

Und wenn Gott gewollt hätte, wäre Heinz Pelz mit seinen Gemälden im Jahr 2008 

plötzlich Monet oder Vincent van Gogh.

Wie gesagt. Gott hat Humor.


Gott hat deshalb den Homo Sapiens erfunden.

Aber zuerst die Natur und dann den Homo Sapiens.

Seither ist der Homo Sapiens ziemlich neidisch auf die Schöpfung.

Der Homo Sapiens selbst ist nämlich ziemlich blass und farblos. 

Ein bisschen so, wie eine unbemalte Leinwand.

Also erfindet der Homo Sapiens, in seiner überflüssigen Zeit bis zum Aussterben, die Kunst.


Aber der Homo Sapiens nimmt sich dabei fürchterlich ernst.

Plötzlich stehen im Stall von Bethlehem ein Esel ohne Punkte und ein Ochse ohne Streifen.

Und dann erfindet der Homo Sapiens auch noch ernsthaft die Wiedergeburt der Antike, die Aufklärung, die Naturwissenschaften, die Zweite Moderne und zusätzlich 

den Kulturaustausch mit Estland.


Gott erfindet sogar den Kunstkritiker. Und als ob das immer noch nicht genug wäre 

auch noch den Eröffnungsredner.

Der Eröffnungsredner weiß nämlich immer genauestens Bescheid.

Anscheinend weiß er mehr, als die Schöpfung selbst.


Liebe Freunde der Kunst.

Der international beliebte und erfolgreiche Maler Heinz Pelz, ein Meister pastoser Farbenklänge, lässt im kanonisierten Rhythmus simplifizierter Linien, auf Grundlage komplexer Kategorisierungen ein breites Spektrum synaptischer Divergenzen entstehen.


Dabei lassen Wärme und Kälte der einander zugeordneten Linien, durch ihre vor und zurückspringenden Farbräume, die sowohl Harmonie in isolierter Betrachtung erzeugen als auch intensive Spannungen im Zusammenspiel semantischer Partikel des Bildes auslösen, bei Heinz Pelz die Synchronizität über das Ungesehene im Bild sichtbar werden und erzeugen somit eine lebendige Irritation, die zum näheren Hinschauen auffordert.


Soll ich es noch einmal wiederholen?

Gott hat Humor.

Trotzdem war es sicher nicht ganz leicht den Eröffnungsredner zu erfinden.

Schlendern wir lieber weiter durch das charmante Atelier der Schöpfungsgeschichte.

Gott erfindet Heinz Pelz, weil er Monet und Cezanne schon lange zuvor erfunden hat.

Und nur weil Gott keine Katzen malen kann, muss Heinz Pelz das nun für diese Ausstellung auch nicht unbedingt tun.


Niemand muss in der Kunst dicke Hauskatzen auf einen Marienkäfer malen.

Und niemand muss butzelige Katzen auf das Fell einer Katze malen können.

Die Schöpfung besteht eindeutig aus Punkten, aus Streifen, aus Flecken, aus Tupfern, 

aus Spritzern, aus Rändern und aus zittrigen Linien.


Vielleicht ist ja ein Bild, vielleicht ist die Malerei, einfach nur eine Art Arche Noah, 

in der die ganze Schöpfungsgeschichte zusammen kommt.

Friedlich und gleichwertig nebeneinander.

Modigliani und der lange Hals einer Giraffe.

Peter Paul Rubens und der Hintern von einem Nilpferd.

Roter Klatschmohn auf einer Sommerwiese und auf einem Apothekerkalender 

mit Motiven von Emil Nolde.

Aber eben auch die schwarzen Flecken auf einer holsteinischen Kuh.

Und die Flecken auf einem Dalmatiner-Welpen.

Und besonders die Streifen auf einem Streifenhörnchen.

Aber eben auch der schrundige Hals einer Kröte und die aus der Tube heraus gequetschten Gebirge und der auf Filmspulen aquarellierte Himmel.


Nur eines dürfen Sie dabei nie vergessen:

Gott hat tatsächlich Humor.

Der Thunfischbelag auf einer Pizza ist nämlich ein guter Beweis für die Evolution. 

Noch vor 100 Jahren ist dieser Pizzabelag frei im Meer herum geschwommen, bevor er heutzutage plötzlich in einer Dose aufgewacht ist.

Und noch etwas:

Streifenhörnchen haben überhaupt keine Hörnchen,

sondern einfach nur Streifen.

Denken Sie unbedingt daran, wenn Sie vor den Bildern von Heinz Pelz stehen.




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